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Schweizer Fachzeitschrift
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Im Dialog f�r smarte L�sungen

Die Druckerei von heute muss sich zum Smart Print Shop wandeln. Neben der ­Investition in aktuelle Technologien sind auch neue Geschäftsmodelle gefragt, davon ist Michael Knörle, Geschäftsleiter von Heidelberg Schweiz, überzeugt.

Romeo HutterPublisher: Die Druckindustrie ist nicht erst seit gestern im Wandel. Inwiefern steht der aktuelle in Zusammenhang mit der digitalen Transformation?

Michael Knörle: Der digitale Wandel trifft alle. Die Digitalisierung der Druckbranche hat ja schon vor Jahren eingesetzt. Die Geschwindigkeit, mit der sie nun vonstatten geht, ist aber sicherlich ungleich höher. Industrie 4.0 und das Internet der Dinge, kurz IoT, sind nicht nur Schlagworte, die für die Druckindustrie und damit auch für Heidelberg von Bedeutung sind, sie werden die Entwicklungen in unserer Branche sehr stark beeinflussen.

Der zurzeit stattfindende Wandel ist aber ein vielschichtiger. Er trifft die Druckbranche stärker als andere. Die nicht erst gestern eingesetzte Konsolidierung wird weitergehen. Das führt zu weiteren Verkäufen, Fusionen und leider auch zu Schliessungen von grafischen Betrieben. Einerseits hängt das mit einer fehlenden Nachfolge zusammen, andererseits stehen für die Produktion stagnierender Druckvolumen immer produktivere Maschinen zur Verfügung.

Hat die Branche Nachholbedarf?

Die Betriebe, die technologisch auf dem neusten Stand geblieben sind, können heute davon profitieren, alle anderen haben jetzt punkto Technologie sicherlich Nachholbedarf. Die Druckdienstleister brauchen vor allem aber eine Strategie und damit einhergehend neue, sicherlich auch disruptive Geschäftsmodelle. Hier lohnt sich der Blick über den eigenen Tellerrand. Ein Beispiel dafür sind Subskriptionsmodelle für Produktionsmittel, die allmählich auch Einzug in die Druckbranche halten – in anderen Branchen sind sie längst etabliert.

Wir treten in Dialog mit den Kunden, um deren Produktion zu optimieren, aber auch deren Geschäftsmodell weiterzuentwickeln. In absehbarer Zeit wird wohl kaum ein Druckdienstleister umhin kommen, sich Gedanken über einen Online-Vertriebsweg zu machen.

Wie begegnet Heidelberg selbst dem digitalen Wandel?

Unter dem Motto «Heidelberg goes digital» sind wir dabei, interne und externe Prozesse konsequent zu digitalisieren. Dem nimmt sich die neue Digital Unit von Heidelberg an. Das Kompetenzzentrum für digitales Marketing und eCommerce steht für einen Kulturwandel und beabsichtigt in absehbarer Zeit den eCommerce-Umsatz zu verdreifachen.

Wichtig ist aber auch die enge Bindung an die Kunden, deren Produktivität durch digitalisierte Abläufe gesteigert wird. Ein Beispiel ist das autonome Drucken mit Heidelbergs Bedienphilosophie «Push to Stop», das erstmals zur Drupa 2016 vorgestellt wurde. Wurden bislang Prozesse aktiv durch den Bediener gestartet, übernimmt dies die Maschine selbst. Der Bediener unterbricht die Prozesskette nur noch bei Bedarf. Die Effektivität der Druckproduktion lässt sich dadurch heben, die Prozesse werden planbarer und die Fehlerrate sinkt.

Heidelberg ist längst nicht nur Maschinenhersteller. Technologie- und Lösungsentwicklung gehören neben Servicedienstleistungen zum Kerngeschäft. Wo wird heute vornehmlich in die Entwicklung investiert?

Standen vor wenigen Jahren vor allem technologische Entwicklungen im Mittelpunkt, so liegt der Fokus heute auf dem Kundennutzen. Die Entwicklung intelligenter Lösungen soll unseren Kunden helfen, als Druckdienstleister erfolgreich am Markt zu agieren. Die Digitalisierung bietet hier viele Chancen. Doch wer die Möglichkeiten nutzen will, muss den Wandel aktiv gestalten. Neue Prozesse sind der Schlüssel zu höherer Produktivität. Aus einer Druckerei wird so ein – wie wir es nennen – Smart Print Shop.

Dazu gehören auch Smart Services. Heute sind bereits mehr als 10 000 Maschinen mit Heidelbergs IoT-System verbunden und können per Remote-Zugriff gewartet und überwacht werden. Der Heidelberg Assistant bietet darüber hinaus eine transparente Schnittstelle, die dem Kunden seine Produktion zeigt, umfangreiches Know-how bereitstellt und seine Einkaufs- und Benchmark-Plattform darstellt. Das Ganze ist cloudbasiert und erlaubt per eCall automatisierte Störungsmeldungen. Basierend auf den damit gewonnenen Kundendaten kann Heidelberg individuell beraten und dabei helfen, die Produktion zu optimieren oder weiterzuentwickeln.

Die Digitalisierung zeigt sich auch ­immer stärker beim Drucken. Gilt heute schon: Die Massenproduktion ist tot, es lebe die Individualisierung?

Die auf der Drupa vorgestellte Primefire ist unsere Antwort auf das zunehmende Bedürfnis nach individualisierten Drucksachen. Die in Allschwil ansässige Rondo AG führt seit kurzem den ersten Betatest für Pharmaverpackungen mit einer Primefire 106 durch. Durch die Produktion im Inkjet-Digitaldruck kann aber nicht nur individualisiert werden. Es können Lagerkosten minimiert oder bei direkter Anlieferung an die Verpackungsmaschine gar vollständig beseitigt werden. Dadurch kann das Pharmaunternehmen seinerseits die eigenen Lieferzeiten für die Medikamente deutlich reduzieren. Das führt auf Vertriebsseite zu erheblichen Vorteilen.

Wo kann sich aber ein kleines ­Schweizer Druckunternehmen heute noch behaupten oder gar wachsen?

Er kann sich spezialisieren, beispielsweise im Bereich individualisierter Mailings oder anderer Anwendungen. Eine starke Verankerung in der Region und die Nähe zum Kunden helfen ebenfalls, die Marktposition zu halten oder gar zu stärken. Der Dienstleistungsgedanke muss tagtäglich gelebt werden. Und dann sollte man auch offen für Kooperationen und neue Partnerschaften sein. Diese eröffnen oft neue Chancen und Tätigkeitsfelder. ↑

Michael Knörle

Michael Knörle kam 2005 zu Heidelberg Schweiz und übernahm dort den Vertrieb für die Ostschweiz und Liechtenstein. An der Verkaufsfront sehr erfolgreich, wurde er 2012 zum Verkaufsleiter ernannt. Seit Mitte 2017 führt er als Vorsitzender der Geschäftsleitung und Mitglied des Verwaltungsrats die Heidelberg Schweiz AG.